Gesundheit und auch Freiheit sind Werte, die meist erst durch ihr Fehlen erkenntbar werden.
Selbstverstandliches hat die Eigenheit, sich durch Gewéhnung der Wahrnehmung zu entziehen.
Den Wald sieht man vor lauter Baumen nicht und des Rauschens des eigenen Blutes in den
kopfarterien wird keiner gewahr.
Es scheint schwierig vor Vertrautem zu erstaunen, wenn auch unendlich viel Staunenswertes
gerade im Vertrautestem liegen mag. Oft mu erst ein AURenstehender kommen,um einem die
Augen fiir Selbststandliches erneut zu 6ffnet.
Die kUnstlerin Hyon-Soo Kim ist eine solche AuRenstehende. Sie ist Koreanerin und kam vor 14
Jahren in unsere vertraute/ allzuvertraute westliche Welt. Sie sieht unsere Alltag und Rituale mit
den Augen einer anderenTradition und kann Uber vieles staunen, das sich uns durch seine
Selbstverstandlichkeit in das Unerkenntbare entzieht. Mit ihren Installationen und Objekt- Kasten
versucht sie Erstauntsein festzuhalten und weiterzugeben.
Ein zentrales Thema ist flr sie die Idee des ,GefaRes“ eine umfassende Idee, in der sich
westliche und éstliche Sehweisen begegnen: Der Kérper mit seinen inneren Gefafen, als Gefaf
fiir Leben, die Stadt mit ihren Hausern als GefaR fur Menschen, Autos als ,fahrbare GefaRe“ ein
jedes Wort als Gefa& flr Sinn und Emotion und, nicht zuletzt, Kunst als, |deen- Gefar“.
In ihren Objekten wird der alltagliche Gegenstand einens TrinkgefaRes zur Metapher fir eine
ganze Welt, die sich generiert aus einem ununterbrochenen Prozef von Fillen und UmgieRen.
Hyon-Soo Kim baut leuchtende und transparente Bildkasten, die in sich selbst kleine Welten sind,
in denen sich Bezuge zur Kunst zur ,wirklichen Welt“ durchdringen. Réntgenbilder menschlicher
Koérper verweben sich als Lichtgeflecht mit den Umrissen von Kelchen und Kruigen zu einem Bild
von erstaunlicher und tréstlicher Paradoxie: Sie zeigen zerbrechliches und verletztliches, wie es
alles Uberstrahlt als Gefa fur Unvergangliches.
Ugo Dossi, 1998, zu der Installation ,Gefaß „
